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„Pohlheim wird im neuen Regionalplan viel Entwicklungsfläche zugestanden. Dies gefällt nicht allen Bürgern, wie nun bei einer Bauausschusssitzung deutlich wurde. Auch der langfristige Lückenschluss zwischen Watzenborn-Steinberg und Garbenteich und ein Güterverteilzentrum sorgten für Kritik.

Es war ein Grundkurs im Regionalplanlesen, den Planer Hendrik Christophel am Dienstagabend im Pohlheimer Bauausschuss in Anwesenheit zahlreicher Ortsbeiratsmitglieder gab. Erst am Ende des mehr als 90 Minuten andauernden Vortrags gab es dann allerdings die dicken Überraschungen.

Denn nach dem Exkurs, wie so ein Kartenwerk zu lesen ist, kamen die Änderungswünsche und Anmerkungen zur Sprache, welche das Planungsbüro im Auftrag der Stadt verfasst hatte.

Für verdichtete Gebiete sieht der Plan »Regionale Grünzüge« vor. In Pohlheim handelt es sich dabei um fast das gesamte Stadtgebiet. Mit dem »Regionalen Grünzug« sollen unter anderem Erholungs- und Biotopfunktionen gesichert werden. Christophel merkte an, dass Holzheim von einem solchen Grünzug eingekesselt sei und nur noch eine minimale Neubaugebietsfläche vorhanden sei. Dazu wolle man eine Begründung vom Regierungspräsidium (RP) erhalten, warum dies so sei.

Auch bei Dorf-Güll habe man lange Zeit an einer Fläche für die Siedlungsweiterung gefeilt, die nun aber für andere Zwecke vorgesehen sei. Diese Änderung möchte die Stadt zurückgenommen haben.

Zum Gambacher Kreuz will man den Hinweis geben, dass die Abfahrt von der A 5 auf die A 45 von Fernwald kommend in Fahrtrichtung Dortmund fehlt. Diese sei beim sechsspurigen Ausbau der A 5 in diesem Bereich vorzusehen.

Dieser Autobahnausbau dürfte Garbenteich weiter belasten. Christophel sagte, dass man zudem nahe des Bahnhofs Pfahlgraben ein Areal für ein Güterverteilzentrum vorschlagen möchte. »Wir könnten es umsetzen.«

Belastung für Garbenteich steigt 

Hiltrud Hofmann (Grüne) nahm dies mit »absolutem Schrecken« zur Kenntnis: »Das ist garantiert mit mehr Verkehr verbunden. Das ist für die Garbenteicher Bevölkerung neben dem sechsspurigen Autobahnausbau ein drastischer Einschnitt.« Sie hielt daher nichts von der Idee, dies vorzuschlagen.

Auf Nachfrage ging Christophel außerdem auf einen Punkt ein, zu dem die Stadt ebenfalls Stellung nehmen möchte: Gießen hat ein Gewerbegebiet zwischen dem an der Stadtgrenze liegenden Watzenborn-Steinberger Sportplatz und der Stadtgärtnerei vorgesehen. Da dies auch die Pohlheimer Belange betreffen würde, wolle man sich dazu äußern. Der Planer sagte, dass jedoch eine Entwicklung wohl nur mit Anschluss an Pohlheimer Infrastruktur wirtschaftlich sei.

Streitthema des Abends wurden die für Neubaugebiete vorgesehenen Flächen. Christophel sagte, dass Pohlheim zu den fünf Kommunen mit dem größten prognostizierten Bevölkerungszuwachs in ganz Hessen zähle. Wolle man dieser Tatsache Rechnung tragen, müsse man Neubaugebiete ausweisen. Vorgeschlagen wurde in diesem Zusammenhang, die Lücke zwischen Hausen und Watzenborn-Steinberg zu schließen. Langfristig könne man zudem darüber nachdenken, die Flächen zwischen Neuer Mitte und Garbenteich zu bebauen, sodass alle drei Ortschaften zusammenwachsen. Dass man in anderen Orten keine großen Flächen ausweisen dürfe, liege daran, dass nur im zentralen Ort für Zuzug geplant werden dürfe, sonst nur Gebiete für Baubedarf aus dem jeweiligen Dorf entwickelt werden dürfen. Dies habe die Regierung so vorgegeben.

Karsten Becker, der Ortsvorsteher Garbenteichs (SPD), kritisierte die Planungen scharf: »Das ist eine Zwangsverstädterung.« Das zwischen Neuer Mitte und Garbenteich gelegene Gebiet Seechen habe man gerade erst zugunsten des Baugebietes Friedenstraße aufgegeben. Nun solle es noch deutlich größer zurückkehren. Er hinterfragte, ob ein permanentes Bevölkerungswachstum Pohlheim überhaupt guttue. »Wir werden größer, als es uns guttut.« Zudem würde extrem viel Fläche versiegelt.

Christophel sagte, dass mit Blick auf den Regionalplan 2010 von einer großen Versiegelung keine Rede sein könnte. »Kein damals festgehaltenes Gebiet wurde bislang bebaut.« Bürgermeister Andreas Ruck gab zu bedenken, dass viele Menschen von der eigenen Immobilie träumen. Viele, die heute die Flächenversieglung kritisieren, hätten selbst einst gebaut. »Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.« Ruck sagte, dass bis zum 28. Februar Hinweise und Anmerkungen bei der Stadt eingereicht werden können, diese würden dann berücksichtigt. Der Magistrat werde die Stellungnahme der Stadt verabschieden. Dieses Prozedere gefiel Andreas Schuch (FW) nicht: Die Stellungnahme müsse auf einer breiten Basis stehen, sagte er.“

aus der Gießener Allgemeine, Partick Dehnhardt, 16.02.2022