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„Mit dem Eilantrag gegen die Bauleitplanung für das Gewerbegebiet Garbenteich Ost hatten der Nabu-Landesverband keinen Erfolg. Jetzt hofft man auf die Abänderungsanträge.

Pohlheim (ww). Wie geht es weiter mit der juristischen Auseinandersetzung zwischen dem Nabu-Landesverband und der Stadt Pohlheim wegen der Bauleitplanung für das umstrittene Gewerbegebiet Garbenteich Ost? Nachdem der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel vor den Sommerferien einen Eilantrag zurückgewiesen hatte, setzt der Nabu seine Hoffnung auf sogenannte Abänderungsanträge. Darüber wird der zuständige Senat wohl im Laufe des September entscheiden, erklärte der Sprecher des VGH, Martin Sander, auf Anfrage des Anzeigers. Dass die Entscheidung nicht bereits gefällt wurde, sei darauf zurückzuführen, dass die Verfahrensbeteiligten noch Stellungnahmen angekündigt hätten.

Mit dem Eilantrag hat der Nabu Hessen den Ausgleichsplan für Eingriffe in die Natur angegriffen. Es wird um die Größe und Wertigkeit von Ersatzrevieren gestritten. Der Nabu-Kreisverband hatte nach eigenen Angaben viel mehr Brutpaare gezählt, als im Umweltplan des Vorhabenträgers Revikon berücksichtigt wurden. Das Gericht entschied aber, dass keine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Satzung vorliege.

Da dies faktisch eine Vorwegnahme einer Entscheidung durch ein Gericht bedeutet – es darf gebaut werden – und diese Vorabregelung stark in die Rechte des Nabu eingreift, gibt es die Möglichkeit, die erwähnten Abänderungsanträge zu stellen. Der Nabu Hessen nahm das wahr.

Sollten die Abänderungsanträge positiv beschieden werden, könnte sich die Erschließung, deren Start eigentlich für dieses Frühjahr anvisiert worden war, weiter verzögern. Das ist laut Rechtsprechung dann der Fall, wenn tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte sich derart geändert haben, dass objektiv eine andere Beurteilung der Erfolgsaussichten möglich oder zumindest eine neue Interessenabwägung erforderlich wäre.

Keine Arbeiten bis Ende September 

Wie Sander weiter berichtete, hatte die Stadt Pohlheim mitgeteilt, sollten zumindest bis zum 30. September keine weiteren Arbeiten auf dem Gelände stattfinden. Darauf hätten sich die Parteien geeinigt.

Der Nabu-Kreisverband hatte 2021 während der Brutzeit 28 Feldlerchen-Paare festgestellt. Projektentwickler Daniel Beitlich erklärte später, dass vom beauftragten Umweltplaner nur sechs verzeichnet worden seien. Im Disput geht es um die Wertigkeit, aber auch die Größe der Ausgleichsflächen.

Bei einer viereinhalb mal so großen Population müsste es auch einen entsprechenden Ausgleich geben, lautet das Argument des Nabu-Kreisverbandes, der inhaltlich hinter der Klage steht, aber im Gegensatz zum Landesverband nicht klagen darf. Es sei nicht bekannt, welche Zahl die Untere Naturschutzbehörde beim Landkreis bei ihrer Forderung zum Ausgleich zugrundegelegt habe. Die zwei vorgesehenen Ausgleichsflächen für die Feldlerche seien aufgrund ihrer unmittelbaren Lage an der Autobahn nicht geeignet. Eine der zwei Flächen ist ein 150 Meter breiter Streifen nahe des Hohen Steins. Dieser ist aus Sicht des Nabu zusätzlich ungeeignet wegen der kleinen Größe und der zusätzlichen Einkreisung von der Straße nach Lich und dem Wald.

Im Übrigen müssten diese Maßnahmen vor Beginn der Bautätigkeit umgesetzt werden und es müsse nachgewiesen sein, dass sie auch funktionieren. »Da die bisher präsentierten Ausgleichsflächen aus unserer Sicht nicht geeignet erscheinen und auch bisher nichts umgesetzt wurde und schon gar nicht der Erfolg der Maßnahmen nachgewiesen wurde, kann nach unserer Meinung die Bautätigkeit nicht beginnen, bis diese Dinge erfüllt wurden«, teilte der Nabu-Kreisverband weiter mit.

Der Nabu hatte während der diesjährigen Brutzeit erneut eine Zählung durchgeführt und sieht sich bestätigt. Sechs hessenweit bekannte Ornithologen konnten 26 bis 28 Brut-reviere kartieren, was für Hessen eine sehr hohe Dichte bedeute.

Kaum verfügbare Ausgleichsflächen 

Grundsätzlich verweist der Nabu-Kreisverband darauf, dass die Kommunen bei ihrer Bebauungsgeschwindigkeit mittlerweile Probleme hätten, Ausgleichsflächen für Eingriffe in die Natur vor Ort zu realisieren. Es gebe kaum noch verfügbare Flächen im verdichteten Land und Eigentümer seien kaum bereit, ihre Areale zur Verfügung zu stellen. Somit würden Flächen oft nicht danach ausgesucht, ob sie geeignet sind, sondern vor allem danach, ob diese verfügbar seien.“

aus: Gießener Anzeiger vom 27.08.2022