Ulrich Sann und die gekauften Stimmen

In seinen jüngsten Äußerungen bezichtigt Ulrich Sann von den Freien Wählern (FW) alle Pohlheimer Bürger, die mit ihrer Unterschrift einen Bürgerentscheid zum Gewerbegebiet Garbenteich Ost ermöglichen wollen, dass sie sich beziehungsweise ihre Stimme würden kaufen lassen. Das ist für den Vertreter einer demokratischen Partei, die sich Bürgernähe und Mitbestimmung auf die Fahnen geschrieben hat, eine ungeheure Entgleisung. Die FW sollten sich ihr Personal einmal genauer ansehen.

Sann leitet seine krude Aussage von dem Umstand ab, dass die Gießener BID (Business-Improvement-District) Marktquartier die Bürgerinitiative Garbenteich (BI) finanziell unterstütze. Richtig ist: Der Marktquartier-Verein, einer der Gießener BID-Trägervereineund nicht das BID, unterstützt die BI Garbenteich, und das hat die BI hat auch offen kommuniziert. Der Marktquartier-Verein finanziert sich aus Beiträgen und Spenden und nicht aus öffentlichen Mitteln.

Es ist nicht richtig, wie Sann behauptet, dass die BI Garbenteich 10 000 Euro aus Gießen bekommt, sondern dass das Marktquartier diese Summe in seinen Haushalt eingestellt hat, um Maßnahmen gegen das geplante Outlet in Garbenteich zu ergreifen. Daraus hat man – neben eigenen Aktivitäten ‑ der BI Unterstützung zugesagt, die sie auch dringend brauchen kann. Flyer und Info-Beilagen in den Zeitungen kosten richtig Geld und die Mittel der BI wären schnell erschöpft.

Auch die FW bestreiten ihre Wahlkämpfe unter Einsatz von Finanzmitteln und werben auf ihrer Homepage aktiv um Spenden. Sind die dadurch gewonnenen Stimmen etwa auch gekauft?

Dass gerade FW-Mann Ulrich Sann von gekauften Stimmen spricht, ist schon ein starkes Stück. Denn er ist Fraktions-Chef der Partei, die seit ihrer Koalition im Pohlheimer Stadtparlament völlig ungeniert stets mit ihrem Partner CDU stimmt, und zwar auch in Fragen, die die FW vor der Koalition immer anders gesehen hatten ‑ vor allem die ehemaligen Grünen Sann und Seidler. Vielleicht liegt es daran, dass FW-ler Ewald Seidler erster Stadtrat werden durfte und für dieses Ehrenamt nun 600 Euro im Monat bekommt (s. Gießener Anzeiger vom 29.04.2017). Diese „Entschädigungsleistung“ hatten CDU und FW mit ihrer Stimmenmehrheit eingeführt. Fabian Schäfer von der FPD hat dies treffend als „Lex Seidler“ bezeichnet.

Fest steht, dass die Bürger sich gerne informieren, aber nicht kaufen lassen; da schließen die Freien Wähler womöglich von sich auf andere. Es ist vielmehr so, dass jeder, der für das Bürgervotum unterschreibt, nicht Geld, sondern sein Recht auf Mitbestimmung bekommt. Übrigens sind alle BI-ler, auch bei Unterstützung durch Spender, echte Ehrenamtliche, die sich diese Arbeit ohne irgendwelche Vergünstigungen auferlegen. Einige haben sogar Grundstücke auf der betreffenden Fläche und verzichten somit auf nicht wenig Geld.