Seit einer Woche nun ist die Kampagne des Outletbetreibers Neinver „Ein Plus für Pohlheim“ online und will die Pohlheimer überzeugen, am 19. August für das Outlet zu stimmen. In einem Bereich geht es um häufige Fragen zum Projekt. Neinver propagiert hier absichtlich ein rosarotes Szenario, aus dem Pohlheim als Gewinner hervorgeht und hält negative Konsequenzen für die Region außen vor. Damit die Bürger sich eine Übersicht zwischen vermeintlichen Pro-Argumenten und den negativen Folgen des geplanten Outlets verschaffen können, haben wir von der BI Garbenteich die gleichen Fragen einmal beantwortet, um aufzuzeigen, was der Betreiber verschweigt.

Bei den fettgedruckten Fragen und Antworten handelt es sich um Aussagen von Neinver, zu finden auf deren Kampagnenseite.

1. „Entsteht auf dem Areal Garbenteich Ost ein künstliches Einkaufsdorf mit Freizeitpark à la Disneyland?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Hier wird bewusst mit der Angst gespielt, es könnte ein bunter Freizeitpark á la Disneyland entstehen. Und zu Beginn hieß es tatsächlich, dass eine Art Themen- und Freizeitpark angedacht sei. Der übertriebene Vergleich zu „Disneyland“ überdeckt allerdings die Tatsache, dass Outlets in ihrer Bauweise schnell und kostengünstig hochgezogen werden und in ihrer Funktionalität nur für den Handel ausgelegt sind. Neinver betreibt hauptsächlich Outlets im Stile eines „Village“ (Dorf). Die Bezeichnung „künstliches Einkaufsdorf“ trifft den Nagel also auf den Kopf. Es entstehen ganze Fassadendörfer, die nur für den Zweck ausgelegt sind, dass der Besucher dort so viel Geld lässt, wie nur möglich. Die Ankündigung eines Regenrückhaltebeckens soll die Tatsache der Flächenversiegelung beschwichtigen und hängt dem ganzen Projekt regelrecht „ein grünes Mäntelchen um“.


2. „Sieht das neue Outlet-Center nicht aus wie ein neumodischer Einkaufspalast und passt damit optisch nicht nach Pohlheim und Mittelhessen?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Landwirtschaftlich sei die Ansiedlung auf der grünen Wiese sehr kritisch zu betrachten: Der hohe Bedarf an Parkflächen und der flächenintensiven Bauweise von Outlets werde nur schwer ins Landschaftsbild zu integrieren sein, so Carsten Diekmann in seiner Abhandlung „Auswirkungen von Factory-Outlet-Center auf den Einzelhandel“ Beton ist übrigens auch ein „natürlicher Baustoff“ – das nur am Rande. Hier sieht man, wie rhetorisch getrickst wird. Denn: Für ein FOC mit 10.000 qm Verkaufsfläche rechnet man mit einem Besucheraufkommen von ca. 2,5 Millionen Besucher pro Jahr. Diekmann sagt, bei FOC sind mit 100 PKW pro Quadratmeter Verkaufsfläche zu rechnen. Neinver kündigte Anfang Januar an, dass das Outlet mit einer Verkaufsfläche von 13.000 bis 15.000 qm entstehen soll. Dementsprechend viel Parkfläche ist notwendig. Wie passen Harmonie und eine zubetonierte Parkfläche zusammen? Zudem kopieren Outletdörfer Urbanität. Sie kopieren Häuserfassaden und sind mehr Schein als Sein. Ein künstlich geschaffener Einkaufspalast trifft es also vollkommen.


3. „Bekommt Pohlheim auch ohne das Outlet-Center einen eigenen Autobahnanschluss?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Zu aller erst muss man sagen: Das, was da auf der grünen Wiese an der A5 entstehen soll, ist planungsrechtlich eigentlich unmöglich. Nicht nur der Regionalplan, auch der Landesentwicklungsplan schließt Outlets wie das in Pohlheim geplante aus. Man bekommt den Eindruck, dass die Region mit dem privat finanzierten Autobahnanschluss „überzeugt“ werden soll, um somit bestehende Planungsrechte zugunsten der Renditeaussicht eines Investors auszuhebeln.


4. „Was passiert mit dem Gebiet Garbenteich Ost, wenn sich die Pohlheimer Bürger gegen das Outlet-Center aussprechen? Bleibt das Areal dann landwirtschaftliche Fläche?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Mit diesen beiden Fragen wird das Bild erzeugt, dass die Fläche aus ökologischer Sicht ohnehin verloren sei, wodurch der Bau des FOC kein Problem darstelle.

Es gibt aber durchaus bessere Möglichkeiten die Fläche zu nutzen. Nämlich solche, die mit den Ideen und Wünschen der Bürgerinnen und Bürger konformgehen. Ob diese überhaupt einen Autobahnanschluss wünschen ist von der Firma Neinver wahrscheinlich nie erhoben worden. Sie will den Anschluss ja auch gar nicht für die Bevölkerung bauen, sondern für potentielle Kunden des FOC.


5. „Erhöht sich durch die Anlieferung und die Besucher des Outlet-Centers nicht die Lärmbelastung für die Anwohner?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Selbst wenn Lärmschutzwälle gebaut werden, wird sich die Feinstaubbelastung in der Region enorm erhöhen. Hier ist es letztlich auch eine Frage des Klimaschutzes. In Verbindung mit der Flächenversiegelung von 35 ha Ackerland und dem erhöhten Verkehrsaufkommen mit einhergehenden Emissionen ist hier mit einem der größten negativen Einflüsse für die Region zu rechnen. Outletbesucher reisen aufgrund der Lage von Einkaufszentren auf der grünen Wiese hauptsächlich mit dem Auto an. Für ein FOC mit 10.000 qm Verkaufsfläche rechnet man mit einem Besucheraufkommen von ca. 2,5 Millionen Besucher pro Jahr. 25 Prozent davon kommen an Samstagen. Carsten Diekmann rechnet in seiner Abhandlung „Auswirkungen von Factory-Outlet-Center auf den Einzelhandel“ mit 100 PKW pro Quadratmeter Verkaufsfläche. An Brücken- oder Feiertagen seien dies noch mehr. Auch landwirtschaftlich sei die Ansiedlung auf der grünen Wiese sehr kritisch zu betrachten: Der hohe Bedarf an Parkflächen und der flächenintensiven Bauweise von Outlets werde nur schwer ins Landschaftsbild zu integrieren sein, so Diekmann. Neinver kündigte Anfang Januar an, dass das Outlet mit einer Verkaufsfläche von 13.000 bis 15.000 qm entstehen soll. (Quelle: http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/kreis-giessen/pohlheim/was-macht-outlets-stark-ein-interview-mit-neinver-chef-sommer-ueber-das-vorhaben-in-pohlheim_18464335.htm) Hochgerechnet wären das 3,75 Millionen Besucher pro Jahr, von denen bis zu 80 Prozent mit dem Auto anreisen.


6. „Sucht der ausländische Investor NEINVER nicht nur das schnelle Geld?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Würden Sie als millionenschweres Unternehmen zugeben, wenn dem so wäre? Natürlich nicht. Denn es ist doch viel besser, wenn man kurz vor einem Bürgerentscheid als großer Gönner der Region da steht, der einer Kommune etwas Gutes tun will. Fakt ist, dass es sich bei Outletcentern um renditestarke Objekte handelt. FOC werden offiziell in der Branche sogar als „Goldesel“ oder „Cashcow“ bezeichnet[1]. Natürlich werden Begebenheiten des Standortes berücksichtigt. Denn für Betreiber ist es von enormer Wichtigkeit, wo FOC sich ansiedeln, um möglichst viele Menschen aus der Umgebung anzuziehen und somit gewinnbringende Kaufkraft umzuleiten.

 

7. „Machen die neuen Geschäfte nicht die Shops in der Pohlheimer Innenstadt und in den umliegenden Städten kaputt?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Im Handelsjournal wird folgendes berichtet: „Der Vorsitzende des örtlichen Handels- und Gewerbeverbandes und Besitzer dreier Sportfachgeschäfte [Hans-Jürgen Lange] erleidet derzeit eher die toxischen Nebenwirkungen des Outlet-Booms. Seit Eröffnung des „Designer Outlet Soltau“ im August 2012 vor den Toren der Stadt haben die Händler in der City im Durchschnitt 15 Prozent Umsatz verloren, die Textilhändler gar 30 Prozent. Die letzten inhabergeführten Bekleidungsgeschäfte haben inzwischen das Handtuch geworfen, allein ein paar Textilketten halten noch durch.“ (https://handelsjournal.de/2015/02/20/allgemein/simoneschwan/fragwuerdige-verheissung/) Im gleichen Artikel kommt Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg zu Wort und äußert Bedenken: „Viele notleidende Städte sehen in den Outlet-Centern einen Rettungsanker für ihren Haushalt, doch in der Realität werden meist lediglich Kaufkraftströme zu Lasten anderer Gemeinden umgeleitet. Das ist alles andere als nachhaltig.“ Auch in den Niederlanden berichtete eine Tageszeitung, dass Geschäftsleute durch die Kunden des Outletcenters keinen zusätzlichen bis einen geringen Umsatz erzielen, da einheimische Kunden das erhöhte Verkehrsaufkommen scheuten. Im Kern deckt sich das Sortiment eines Outlets immer mit den angebotenen Waren eines Stadtzentrums: Schuhe, Textil, Schmuck, Heimbedarf etc. Wie soll hier eine Abgrenzung erfolgen? Die Folge: Das Sortiment verschwindet aus dem regionalen Einzelhandel, da dieser mit den Schleuderpreisen der minderwertigen Ramschware nicht mithalten kann. Zudem kann jeder Euro nur ein Mal ausgegeben werden, es entstehen also Umverteilungen, die zu Lasten umliegender Regionen geht. Eine einfache Rechnung, die keinerlei Studie bedarf. Denn es kann keine zusätzliche Kaufkraft generiert werden, es ist immer nur eine Umverteilung.


8. „Entstehen nicht nur Arbeitsplätze für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Experten gehen davon aus, dass auf einen Arbeitsplatz im Factory-Outlet-Center drei Arbeitsplatzverluste im bestehenden Handel kommen. Dementsprechend werden mehr Arbeitsplätze vernichtet, als neu geschaffen. Das hat den Hintergrund, dass auf einer größeren Verkaufsfläche mit weniger Mitarbeitern mehr Umsatz geschaffen werden kann. Große Center werden meist mit nur wenigen Mitarbeitern geführt.[2]„Zusätzlich kommt es zu einer Abwertung der Arbeitsplätze von ausgebildeten Vollzeitkräften mit langfristigen Arbeitsverträgen zu kurzfristig angestellten, nicht ausgebildeten Teilzeitarbeitskräften“, so Diekmann. Diese Entwicklung sei vor dem Hintergrund der Standortwahl der FOC kritisch zu betrachten, da gerade strukturschwache, ländliche Räume um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Er führt fort, dass damit gerechnet werden könne, dass mit zunehmender Integration von Off-Price-Stores oder Fachmärkten ein rapider Arbeitsplatzverlust in der Region im beschrieben Verhältnis einsetzen werde.


9. „Gibt es in Outlet-Centern nicht nur minderwertige Waren?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Unlängst haben Reportagen bestätigt, was hier verneint wird: In Outlets gibt es längst nicht mehr nur Überproduktionen und B-Waren. Zahlreiche Hersteller produzieren eigens für den Verkauf im Outlet und täuschen den Verbraucher mit vermeintlichen Reduzierungen. Mehr dazu hier. (Was heißt eigentlich FOC?) Selbst wenn Betreiber Gutachter dies überprüfen lassen, ist hier immer noch nicht transparent dargestellt, wie regelmäßig und genau geprüft wird. Rein logisch kann es gar nicht so viel B-Ware und Überproduktionen und Reste geben, dass die Regale in Outlets stets prall gefüllt sind. Dabei handelt es sich u.E. nach um Schönfärberei.


10. „Gibt es nicht schlechte Erfahrungen mit anderen Outlet-Centern in Deutschland?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Beispiel Neumünster: Ein großer alteingesessener Modehändler Nortex klagte ein Jahr nach der FOC-Eröffnung über „Umsatzrückgang im hohen einstelligen Bereich“ (Pressemitteilung 20.9.2013). Jeder Outletbesucher kann sein Geld nur ein Mal ausgeben, dementsprechend fehlt dieses Geld an anderer Stelle im regulären Handel. Die Berliner Morgenpost berichtet in ihrem Artikel „Einkaufscenter auf grüner Wiese ruinieren Städte“ folgendes: „Shoppingmalls in Randlage richten in den Innenstädten mehr Schaden an als bisher angenommen. Zwar werden die Erwartungen, die mancher Bürgermeister hegt, kurzfristig erfüllt, zeigt eine Studie. Unterschätzt werden jedoch die Langzeitfolgen: Straßenzüge im Stadtkern verlottern und Städte werden gesichtslos.“ Zu dem Ergebnis kommt das größte Stadtforschungsinstitut Europas, das Deutsche Institut für Urbanistik.


11. „Entstehen für die Stadt Pohlheim für die Planung des Projekts, zum Beispiel für den Autobahnanschluss und die Durchführung des Bürgerentscheids, Kosten?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Am Ende tragen die Bürger Pohlheims andere schwerwiegendere Kosten: Die der zusätzlichen Umweltbelastung, Schäden an kommunalen Straßen durch erhöhtes Verkehrsaufkommen, sterbende Innenstädte, erhöhte Mieten für Ladenbesitzer durch Abwertung von Immobilien etc. Letztlich müssen wir uns fragen: Wie wollen wir in Zukunft leben? Unterstützen wir einen internationalen Millionenschweren Konzern, der nur auf Profit aus ist oder wenden wir uns doch lieber unseren Nachbarn zu und stärken unsere Region, indem wir lokale und regionale Firmen unterstützen und unsere Stadtkerne in den bestehenden Strukturen stärken?

Wir sagen JA zu Pohlheim. Denn das geplante Outletcenter geht auf Kosten aller – der Natur, der lokalen Wirtschaft und auf Kosten eines Wertesystems, in dem bestehendes Planungsrecht zugunsten weniger Reicher abgeändert wird, die auf schnelle Rendite und weniger auf die Entwicklung unserer Region aus sind. Wir müssen den Bau des FOC stoppen.


12. „Ziehen Outlet-Center die Kunden aus den umliegenden Innenstädten ab?“

Neinver sagt: „NEIN! (…)“

Wir sagen:

Fast immer argumentieren Outletbetreiber so, dass es sich nicht um Konkurrenz zu den  Innenstädten handele – und das äußerst fadenscheinig. FOC werden zum Erlebnis und Touristenhighlight stilisiert. Hierbei wird ein wichtiger Faktor geschönt. Es kann keinen Zuwachs geben, selbst wenn es den Anschein macht, geht dieser immer auf Kosten anderer. Wird dem regulären Handel ein Euro „weggenommen“, so spielt es kaum eine Rolle, welches Motiv der Einkäufer dabei hatte. Grundlegend sind FOC darauf aus, auf einem größeren Umkreis Besucher als Einkäufer zu locken. Dementsprechend sieht man die Konsequenzen hier weniger deutlich. Wenn ein erstes FOC dem regulären Handel „nur“ 5 Prozent Umsatz wegnimmt, so brechen doch bei einem weiteren Center im Umkreis weitere 5 Prozent weg (vgl. Pressemitteilung Nortex „Umsatzrückgang im hohen einstelligen Bereich“). So summieren sich die Verluste dieser Umverteilung. Jede neu errichtete Einkaufsfläche zerstört alte Einkaufsfläche, denn der Umsatzkuchen im Deutschen Einzelhandel kann sich nicht mehr vergrößern. Die Folge: Die Stadtzentren verlieren durch den Bau neuer Center ihre Geschäfte und somit ihren individuellen, urbanen Charakter.

Weitere gute Gründe gegen das FOC finden Sie unter www.bi-garbenteich.de. Wir laden Sie zudem herzlich zur Podiumsdiskussion am Donnerstag, den 9. August um 19 Uhr in der Volkshalle Pohlheim.

[1]https://www.heuer-dialog.de/veranstaltungen/10747/4-deutscher-factory-outlet-kongress

[2]Vgl. „Auswirkungen von Factory-Outlet-Center auf den Einzelhandel“ von Carsten Diekmann